Für die GmbH hat der Gesetzgeber bei Ausbruch der Corona-Pandemie – anders als für die Aktiengesellschaft, den Verein und die Genossenschaft – keine Sonderregelungen zu virtuellen Versammlungen geschaffen. Der Gesetzgeber hat lediglich die Voraussetzungen der versammlungslosen Beschlussfassung gem. § 48 Abs. 2 GmbHG erleichtert.
Nach einer Entscheidung des BGH vom 5.10.2021, II ZB 7/21, mit der ein Verschmelzungsbeschluss einer Genossenschaft im Rahmen einer virtuellen Versammlung für zulässig erklärt wurde, nahm die Diskussion an Fahrt auf, ob und inwiefern schon das geltende GmbH-Recht eine ausreichende Grundlage für Beschlussfassungen im
virtuellen Raum darstellt.
Nun droht diese Diskussion ausgerechnet wegen des am 22.3.2022 veröffentlichten „Entwurf eines Gesetzes zur Ergänzung der Regelungen zur Umsetzung der Digitalisierungsrichtlinie (DiREG)“ ausgebremst zu werden, obwohl der Gesetzgeber mit diesem Gesetzentwurf gerade die Digitalisierung im Gesellschaftsrecht stärken will.
1. Virtuelle Gesellschafterversammlungen bei der GmbH
Der Gesetzentwurf sieht vor, dem § 48 Abs. 1 GmbHG folgenden Satz anzufügen:
„Versammlungen können auch fernmündlich oder mittels Videokommunikation abgehalten werden, wenn sämtliche
Gesellschafter sich damit in Textform einverstanden erklären.“
In der Entwurfsbegründung heißt es dazu:
„Der Austausch in Konferenzschaltungen, sei es per Telefon oder Videoschaltungen, in Gremien und Organen wird mehr und mehr zum Normalfall. Entsprechend besteht vielfach die Erwartung, dass auch Beschlüsse auf diese Weise mündlich wie in einer Präsenzversammlung gefasst werden können. Dieser Entwicklung soll durch die Einfügung eines neuen Satzes in § 48 I Rechnung getragen werden. Er ergänzt die (dispositiven) Bestimmungen über die innere Organisationsverfassung der Gesellschaft – und damit das gesetzliche Leitbild – und erweitert die Möglichkeit der Willensbildung im Rahmen einer Gesellschafterversammlung auf nichtphysische Zusammenkünfte.“
Die Formulierung des § 48 Abs. 1 Satz 2 GmbHG-E ist ersichtlich an diejenige des § 48 Abs. 2 GmbHG angelehnt – und schon das offenbart die restriktive Position des Entwurfs: Entgegen der Entwurfsbegründung werden die Möglichkeiten virtueller Beschlussfassungen nämlich nicht erweitert, sondern verengt.
Damit kann zwar auch ohne Grundlage in der GmbH-Satzung eine telefonische oder audiovisuelle Beschlussfassung erfolgen — aber nur wenn alle Gesellschafter diesem Verfahren per E‑Mail u.a. zustimmen. Diese Zustimmung kann vor der virtuellen Versammlung erfolgen oder in ihr, etwa durch WhatsApp-Nachricht.
Hinsichtlich seiner vermeintlichen Erweiterungsfunktion die Neuregelung jedoch überflüssig:
Wenn dadurch das Mitwirkungserfordernis sämtlicher Gesellschafter bei virtuellen Versammlungen zementiert wird, stellt der Entwurf die virtuelle Versammlung schlechter als die gewöhnliche Präsenzversammlung, an der sichgrundsätzlich nicht sämtliche Gesellschafter beteiligen müssen, damit wirksame Beschlüsse gefasst werden können.
2. Satzungsändernde Beschlüsse
Auch satzungsändernde Beschlüsse können in einer Videoversammlung einstimmig gefasst werden, die notarielle Beurkundung wird künftig dafür eröffnet.
Generell kann der Gesellschaftsvertrag bei Gründung einer GmbH künftig vollständig „mittels Videokommunikation” beurkundet werden, denn der Ausschluss von Sachgründungen wird beseitigt. Allerdings soll diese Erweiterung notarieller Beurkundung auf Sachgründungen, satzungsändernde Beschlüsse und Erklärungen zur Übernahme eines Geschäftsanteils anlässlich von Kapitalerhöhungen erst ab August 2023 gelten, da dies „einen erheblichen organisatorischen und technischen Aufwand” erfordere.
Für die gesellschaftsrechtliche Begleitung steht Ihnen unser Unternehmensrechts-Team (RA Dr. Theodor Seitz, RA Urs Lepperdinger und RA Dr. Christoph Knapp) gerne zur Verfügung.
Autor: Dr. Christoph Knapp