Die Vertragsstrafe oder auch Pönale ist ein beliebtes Druckmittel, um seinen Vertragspartner zur Einhaltung der vertraglichen Pflichten zu bewegen. Während im Verkehr mit Verbrauchern eine derartige Vereinbarung per AGB grundsätzlich unzulässig ist (§ 309 Nr. 6 BGB), dient sie im unternehmerischen Rechtsverkehr als probates Sanktionsmittel, deren konkrete Ausgestaltung und Höhe im Detail jedoch Fingerspitzengefühl und präzise Ausformulierung verlangt hat. So hatte sich der Bundesgerichtshof (BGH) unlängst mit einer konkreten Klausel zu befassen und einmal mehr die Schwächen und Risiken von undeutlichen Klauseln aufgedeckt (Urteil vom 05.05.2022 – VII ZR 176/20).
Dem Urteil liegt ein baurechtlicher Sachverhalt zugrunde, bei welchem der Verwender einer Klausel die Vertragsstrafe prozentual gestaffelt an eine sog. „Abrechnungssumme“ knüpft. Dieser Begriff wird vertraglich nicht näher erläutert. In konkretem Fall wurde der Anspruch auf Zahlung der Vertragsstrafe als Verteidigungsmittel gegen einen Gegenanspruch verwendet, um diesen so weit wie möglich zu verringern. Wenn der Begriff der „Abrechnungssumme“ die Umsatzsteuer einbezieht, kann der Verwender den Gegenanspruch mithilfe einer Aufrechnung deutlich schmälern. Unabhängig von der Frage, ob diese Vertragsbestimmung transparent ist, verbirgt sich hinter diesem sehr speziellen Fall ein weit grundlegenderes Problem: Ist der hier vorliegende Parameter der vertraglich so benannten „Abrechnungssumme“ brutto oder netto zu verstehen?
Abstrahiert man den speziellen Fall, verdeutlicht sich hier ein Problem der Vertragsgestaltung, welches sich nicht nur auf den Bausektor begrenzt. Denn treffen Vertragsparteien keine ausdrückliche Vereinbarung, ob bei Preisen o.ä. diese mit oder ohne Umsatzsteuer zu verstehen sind, gelten im Fall von Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) wie vorliegend rechtliche Besonderheiten. Die Regelung des § 305c Abs. 2 BGB ist hier der Dorn im Auge eines Verwenders von mehrdeutigen Vertragsklauseln. Ergibt nämlich die Auslegung einer Vertragsbestimmung in AGB nach deren Wortlaut, ihrer Systematik und ihrem Sinn und Zweck kein eindeutiges Auslegungsergebnis und sind mehrere Auslegungen rechtlich vertretbar, gehen die Zweifel zu Lasten des Verwenders. Derjenige, der die Klausel in den Vertrag einbringt, muss damit das Verständnis einer Klausel gegen sich gelten lassen, welches für seinen Vertragspartner am günstigsten und folglich für sich selbst am ungünstigsten ist. Dies gilt jedenfalls, solange die Klausel nicht bereits unwirksam ist.
Da aus der dem BGH vorgelegten Klausel nicht eindeutig hervorging, ob der Begriff der Abrechnungssumme die Umsatzsteuer mit einbeziehen soll, wurde zugunsten des Vertragspartners des Verwenders der Pönale folgerichtig entschieden, dass diese im Zweifel netto zu verstehen ist. Für die Praxis bedeutet dies im Fall von undeutlichen oder mehrdeutigen Vertragsstrafen in AGB möglicherweise den Verlust einer empfindlich hohen Summe und einer geringeren Sanktionierung des eigentlich pflichtwidrig handelnden Vertragspartners. Es lohnt sich, bestehende Verträge und insbesondere Klauseln zur Vertragsstrafe einer Prüfung unterziehen zu lassen und diese deutlich zu
formulieren.
Autor: Christian Ritter