Eine zentrale, bislang in der Fachliteratur eher weniger beleuchtete Neuerung bringt das Gesetz zur Modernisierung des Personengesellschaftsrecht (MoPeG) im Zusammenhang mit Gewinnausschüttungen an Gesellschafter von Personenhandelsgesellschaften.
In einem aktuellen Fachbeitrag von Mock, Auf- und Feststellung von Unternehmens- und Rechnungsabschlüssen im neuen Personengesellschaftsrecht, GmbHR 2023, S. 1066-1074, wird diese für die Praxis sehr wichtige Thematik anschaulich erläutert. Wir geben Ihnen hier eine Zusammenfassung:
1. Neuregelung zur Gewinnausschüttung
Im bisherigen Recht hatten die Gesellschafter einer OHG lediglich ein beschränktes Entnahmerecht (§ 122 HGB) und die Kommanditisten Anspruch auf Auszahlung des auf sie entfallenden Gewinns (§ 169 HGB). Das ab 1.1.2024 geltende, neue Recht für OHG und KG geht dagegen von einem grundsätzlichen Vollausschüttungsanspruch aus; § 122 Satz 1 HGB n.F. sieht vor, dass jeder Gesellschafter aufgrund des festgestellten Jahresabschlusses Anspruch auf Auszahlung seines ermittelten Gewinnanteils hat, also der in der Bilanz ausgewiesene Gewinn an die Gesellschafter nach der Feststellung des Jahresabschlusses auszuschütten ist. Die Auszahlung kann nur unter den Voraussetzungen von §§ 122 Satz 2, 169 HGB n.F. von den Gesellschaftern nicht gefordert werden, nämlich beim OHG-Gesellschafter bzw. Komplementär soweit „die Auszahlung zum offenbaren Schaden der Gesellschaft gereicht oder der Gesellschafter seinen vereinbarten Beitrag trotz Fälligkeit nicht geleistet hat“. Der Kommanditist kann „die Auszahlung des Gewinns nicht fordern, soweit sein Kapitalanteil durch den ihm zugewiesenen Verlust unter den auf die vereinbarte Einlage geleisteten Betrag herabgemindert ist oder durch die Auszahlung des Gewinns unter diesen Betrag herabgemindert werden würde“.
Ein Ergebnisverwendungsbeschluss ist nach dem neuen gesetzlichen Regelungsmodell nicht erforderlich und kann ohne entsprechende Regelung im Gesellschaftsvertrag auch nicht wirksam gefasst werden. In der Folge sind nicht eingeforderte Gewinne als Verbindlichkeiten der Gesellschaft auszuweisen und somit (entgegen der bisherigen Rechtslage) nicht auf den Kapitalanteil oder anderes Konto des Gesellschafters zurückzubuchen. Soweit die Gesellschafter auf die Geltendmachung verzichten, z.B. um die Liquidität der Gesellschaft zu schonen, ist dies als Fremdkapital auszuweisen.
2. Folgen für bestehende Gesellschaftsverträge
Die Auswirkungen dieser Neuregelung auf bestehende Gesellschaften sind unterschiedlich, je nachdem, ob im Gesellschaftsvertrag eine Regelung zur Ergebnisverwendung vorhanden ist oder nicht:
a) Gesellschaftsverträge mit Regelungen zur Ergebnisverwendung
Bei Gesellschaften, die bereits Regelungen zur Ergebnisermittlung und -verwendung im Gesellschaftsvertrag haben – wie häufig in der Praxis –, können sich nach dem 1.1.2024 zumindest Unsicherheiten ergeben. Zunächst stellt sich die Frage, inwiefern die §§ 120-122, 169 HGB n.F. durch vertragliche Regelungen tatsächlich abbedungen werden. Dies ist zwar grundsätzlich möglich (§ 108 HGB n.F. betont die Dispositivität). Es können aber Unklarheiten eintreten, wenn die Regelungen im Gesellschaftsvertrag unvollständig sind oder in Teilen auf das bisherige Recht verweisen.
Besonders geprüft werden sollte, ob der Gesellschaftsvertrag auch regelt, wie mit nicht geltend gemachten Gewinnauszahlungsansprüchen umzugehen ist. Derartige Regelungen finden sich eher selten in Gesellschaftsverträgen, so dass sich dann die Frage stellt, ob es bei einer Bilanzierung als Verbindlichkeit (nach neuem Recht) oder doch zur Zuschreibung zum Kapitalanteil oder einem anderen Privatkonto kommt. Da § 122 Satz 1 HGB von ersterem ausgeht, dürfte eben diese Folge im Zweifel eintreten. Daher sollten bestehende Regelungen zur Ergebnisermittlung und -verwendung dringend geprüft werden, um eine ungewollte Änderung der Rechtslage zu verhindern. Dies gilt vor allem im Hinblick auf die Liquiditätsplanung der Gesellschaft, die durch umfassende Gewinnauszahlungsansprüche der Gesellschafter empfindlich beeinträchtigt werden kann, zumal die Schranken der §§ 122 Satz 2, 169 HGB n.F. verhältnismäßig hohe Hürden für einen Ausschluss der Durchsetzbarkeit des Gewinnauszahlungsanspruchs aufstellen.
b) Gesellschaftsverträge ohne Regelungen zur Ergebnisverwendung
Bei Personenhandelsgesellschaften, die bisher keine Regelungen zur Ergebnisverwendung enthalten, treten mit der Geltung des MoPeG ab 1.1.2024 erhebliche Änderungen ein. Bei der OHG können nun alle Gesellschafter die volle Auszahlung des Gewinns nach § 122 Satz 1 HGB n.F. verlangen, solange die Voraussetzungen von § 122 Satz 2 HGB n.F. nicht vorliegen (und von der Gesellschaft dargelegt und bewiesen werden): Der Anspruch kann demnach vom Gesellschafter nicht geltend gemacht werden, soweit die Auszahlung zum offenbaren Schaden der Gesellschaft gereicht oder der Gesellschafter seinen vereinbarten Beitrag trotz Fälligkeit nicht geleistet hat.
Weiter kommt es zu einer Verbuchung der nicht geltend gemachten Gewinnauszahlungsansprüche als Verbindlichkeit der Gesellschaft gegenüber dem Gesellschafter. Letzteres ist auch bei Kommanditisten der Fall.
Daneben drohen auch den Gesellschaftern Nachteile: Eine Folge der fehlenden Rückbuchung der nicht geltend gemachten Gewinnauszahlungsansprüche durch die nunmehr nicht mehr erfolgende Zuschreibung zum Kapitalanteil ist, dass diese Ansprüche der allgemeinen Verjährung von drei Jahren (§§ 195, 199 BGB) unterliegen und bei einer entsprechend unterbliebenen Geltendmachung über mehrere Jahre verjähren können. Daher sollte bei bestehenden Gesellschaften dringend geprüft werden, ob das in den §§ 120-122, 169 HGB n.F. vorgesehene Regelungssystem im Interesse der Gesellschafter liegt.
Für die gesellschaftsrechtliche Beratung steht Ihnen unser Unternehmensrechts-Team (RA Dr. Theodor Seitz, RA Urs Lepperdinger, RA Jochen Lang, RA Julius Weißenberg und RA Dr. Christoph Knapp) gerne zur Verfügung.