Keine persönliche Haftung des Geschäftsführers für Mindestlohnansprüche

Seitz Weckbach Fackler & Partner

Das Bundesarbeitsgericht (BAG) hat sich in seinem Urteil vom 30. März 2023 (8 AZR 120/22) mit der Frage auseinandergesetzt, ob Arbeitnehmer zur Durchsetzung ihres Anspruchs auf Mindestlohn die Geschäftsführer in Anspruch nehmen können. Eine solche Durchgriffshaftung wurde vom BAG jedoch abgelehnt. Begründet wurde dies im Wesentlichen mit den gesellschaftsrechtlichen Haftungsgrundsätzen, die nur im Ausnahmefall eine persönliche Haftung der Geschäftsführer zulässt.

Der Fall in Kürze
In dem der Entscheidung zugrundeliegenden Fall nahm der Kläger die Beklagten als Geschäftsführer seiner vormaligen Arbeitgeberin, einer GmbH, auf Schadensersatz für einen Monat nicht geleisteter Vergütung in Höhe des gesetzlichen Mindestlohns in Anspruch. Hintergrund war ein vom Kläger geltend gemachtes Zurückbehaltungsrecht an seiner Arbeitsleistung, so dass er für den Monat Juni keine Arbeitsleistung erbrachte. Die Beklagte leistete für diesen Monat deshalb keine Vergütung. Noch im selben Jahr wurde über das Vermögen der GmbH das Insolvenzverfahren eröffnet.

Der Kläger vertrat die Ansicht, die beklagten Geschäftsführer würden persönlich für die Zahlung des gesetzlichen Mindestlohns haften. Die Instanzgerichte verneinten dies jeweils und lehnten den geltend gemachten Anspruch des Klägers ab.

Die Entscheidung des BAG
Auch das BAG hat die Revision des Klägers zurückgewiesen.

Voraussetzung für eine persönlichen Haftung eines Geschäftsführers für die Verbindlichkeiten der Gesellschaft sei dem BAG zufolge das Vorliegen eines besonderen Haftungsgrundes. Nach der gesetzlichen Wertung sei die Haftung von Geschäftsführern einer GmbH grundsätzlich auf das Verhältnis zur Gesellschaft begrenzt (vgl. § 43 GmbHG). Außenstehenden Dritten haften Geschäftsführer grundsätzlich nicht persönlich. Vielmehr sei die Außenhaftung für Verbindlichkeiten der Gesellschaft nach § 13 Abs. 2 GmbHG auf das Gesellschaftsvermögen beschränkt.

Das BAG lehnte das Vorliegen eines besonderes Haftungsgrundes ab. Der hier allein in Betracht kommende Schadensersatzanspruch aus § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 21 Abs. 1 Nr. 9, § 20 MiLoG i.V.m. § 9 Abs. 1 Nr. 1 OWiG scheitere daran, dass der Bußgeldtatbestand des § 21 Abs. 1 Nr. 9 i.V.m. § 20 MiLoG kein Schutzgesetz i.S.d. § 823 Abs. 2 BGB sei.  § 21 Abs. 1 Nr. 9 MiLoG i.V.m. § 20 MiLoG schütze Arbeitnehmer zwar grundsätzlich davor, dass ihnen entgegen der Verpflichtung aus § 20 MiLoG der Mindestlohn nicht oder nicht rechtzeitig gezahlt werde, indem bei einem Verstoß gegen die Pflicht ein Bußgeld drohe. Gleichwohl könne hier in Ansehung der gesellschaftsrechtlichen Haftungssystematik der Bußgeldtatbestand des § 21 Abs. 1 Nr. 9 i.V.m. § 20 MiLoG nicht als Schutzgesetz qualifiziert werden. Grundsätzlich hafte eine GmbH mit ihrem Gesellschaftsvermögen, eine allgemeine Durchgriffshaftung auf die Geschäftsführer einer GmbH gebe es nicht. Käme der in Rede stehenden Vorschrift tatsächlich der Charakter eines Schutzgesetzes i.S.d. § 823 Abs. 2 BGB im Verhältnis zu einem Geschäftsführer zu, würde dies dazu führen, dass Geschäftsführer selbst bei nur (leicht) fahrlässigen Verstößen gegen die Pflicht aus § 20 MiLoG auf Schadensersatz in Höhe des gesetzlichen Mindestlohns in Anspruch genommen werden könnten. Das allgemeine Haftungssystem des GmbH-Gesetzes würde auf diese Weise unterlaufen werden.

Fazit und Ausblick
Die Entscheidung des BAG ist zu begrüßen, denn das BAG bestätigt damit, dass ein strenger Maßstab bei der Durchgriffshaftung auf die Geschäftsführer anzuwenden ist. Geschäftsführer müssen demnach nicht mit einer persönlichen Haftung bei Nichterfüllung von Mindestlohnansprüchen in der Zukunft rechnen. Gleichwohl bleibt die Verantwortlichkeit für die Begehung von Ordnungswidrigkeiten (vgl. § 9 Abs. 1 Nr. 1 OWiG) eines GmbH-Geschäftsführers grundsätzlich zu beachten. Die Ordnungswidrigkeit des § 21 Abs. 1 Nr. 9 i.V.m. § 20 MiLoG kann mit einer Geldbuße bis zu 500.000 Euro geahndet werden. Geschäftsführern ist daher zu empfehlen, die Vorschriften des Mindestlohngesetzes stets im Auge zu behalten, gewissenhaft einzuhalten und eine vollständige und ordnungsgemäße Erfüllung dieser Pflichten sicherzustellen.

Autorin: Rechtsanwältin Stefanie Schneider

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