1. Was ist „Höhere Gewalt“
Die deutsche Rechtsprechung setzt sich häufig im Reiserecht mit dem Begriff der Höheren Gewalt auseinander. Höhere Gewalt („Force Majeure“) ist gemäß der Auslegung deutscher Gerichte ein
Die Beurteilung der höheren Gewalt ist dabei stets stark einzelfallabhängig. Für das deutsche Reiserecht ist jedoch anerkannt, dass Epidemien und Seuchen prinzipiell als höhere Gewalt angesehen werden können. Dies haben z.B. das Amtsgericht Augsburg (Urteil vom 9.11.2004, Az. 14 C 4608/03) im Hinblick auf das SARS-Virus und das Amtsgericht Homburg (Urteil vom 2.9.1992, Az. 2 C 1451/92-18) bezüglich eines Ausbruchs von Cholera entschieden. Bei der Beurteilung sollen hiernach insbesondere den Erklärungen des Auswärtigen Amtes und den Empfehlungen der WHO Indizwirkung zukommen. Auch behördliche Maßnahmen (z.B. Untersagungsverfügungen, Produktionseinschränkungen etc.) können als höhere Gewalt eingestuft werden.
2. Welche Auswirkungen hat eine Absage aufgrund behördlicher Anordnung für Messebetreiber bzw. Veranstalter und Aussteller?
Das hängt zunächst davon ab, wie die jeweiligen vertraglichen Beziehungen der Parteien ausgestaltet sind, und zum anderen auch davon, ob ein aufgrund einer behördlichen Anordnung abgesagt werden muss oder die Behörde lediglich eine Warnung ausspricht.
Nach § 28 Infektionsschutzgesetz (IfSG) „kann die zuständige Behörde Veranstaltungen oder sonstige Ansammlungen einer größeren Anzahl von Menschen beschränken oder verbieten“. Liegt eine solche behördliche Verfügung des örtlichen Gesundheitsamts als Kreisverwaltungsbehörde vor, ist davon auszugehen, dass ein Fall von Höherer Gewalt vorliegt und damit nach der gesetzlichen Regelung eine Unmöglichkeit der Durchführung der Veranstaltung. Entsprechende Verträge, die z. B. mit Ausstellern, Messebauern oder Cateringanbietern abgeschlossen sind, können nicht mehr erfüllt werden. In diesem Fall müssen Leistung und Gegenleistung in der Regel auch nicht mehr erbracht werden. Gleichzeitig verliert der jeweilige Vertragspartner seinen Anspruch auf Vergütung. Die vertraglichen Regelungen im Einzelfall haben dabei immer Vorrang vor den gesetzlichen und sind daher sorgfältig zu prüfen.
Spricht die Behörde lediglich Warnungen aus, liegt in der Regel kein Fall „höherer Gewalt“ vor und es kommt darauf an, ob die Veranstaltung ggf. aufgrund anderer vertraglicher Vereinbarungen abgesagt werden kann.
3. Was ist z.B. mit bereits gebuchten Hotelzimmern und Flügen?
Bei den Verträgen, die Teilnehmer der entsprechenden Veranstaltungen geschlossen haben, kann die Situation jedoch anders liegen, z.B. bei der Buchung von Übernachtungen oder Flügen. Die Absage der Veranstaltung allein stellt noch keinen Fall der Unmöglichkeit der Leistung vor. Das Flugzeug oder das Hotelzimmer könnten grundsätzlich auch ohne Besuch der Veranstaltung genutzt werden. Für die Hotel- oder Flugbuchung ist nur der Anlass der Buchung weggefallen, was für sich noch nicht zur Kündigung des Vertrags berechtigt. Wurde aber das Hotel im Paket mit der betreffenden Veranstaltung, z.B. im Rahmen eines speziellen Kombiangebots o.ä. gebucht, kann in diesem Fall häufig auch gegenüber dem Hotel die Kündigung des Vertrages erklärt werden. Unabhängig davon bieten viele Hotels ihren Kunden in ihren Allgemeinen Geschäftsbedingungen vertragliche Stornierungsmöglichkeiten an, welche auch hier vorrangig geprüft werden sollten.
4. Was passiert, wenn ein Veranstalter präventiv mit Hinweis auf die Risiken im Zusammenhang mit dem Corona-Virus eine Veranstaltung absagt bzw. absagen will?
Das hängt sehr von den individuellen, zwischen den Parteien getroffenen Abreden ab. Grundsätzlich braucht der Veranstalter einen berechtigten Grund, um eine geplante Veranstaltung abzusagen. In den Verträgen mit den Ausstellern kann zum Beispiel geregelt sein, dass der Veranstalter berechtigt ist, das Event abzusagen, falls die Behörden derart hohe Auflagen stellen, dass sich eine Durchführung für den Veranstalter als unwirtschaftlich erweist. Daneben wird häufig vereinbart, dass der Veranstalter den Ausstellern in diesem Fall – neben der Rückzahlung der Standgebühr – sämtliche Kosten zu erstatten hat, die diesen im Vertrauen auf die Durchführung der Veranstaltung bereits entstanden sind.
Im Übrigen, falls die Parteien keine vergleichbaren Regelungen zu Absagemöglichkeiten vereinbart haben, ist der Veranstalter verpflichtet, die Veranstaltung durchzuführen und kann die Verträge mit den Ausstellern nicht einfach „präventiv“ mit Verweis auf das Corona-Virus kündigen.
5. Praktische Handlungsempfehlungen:
Für alle weiteren Fragen können Sie sich gerne an unseren Kollegen Dr. Christoph Knapp wenden.
Autor: Dr. Christoph Knapp