Sofern das Gesetz keine bestimmte Form erfordert, haben Vertragsparteien zur Unterzeichnung von Verträgen zahlreiche Möglichkeiten zum Einsatz elektronischer Signaturen, insbesondere auch im Rahmen von M&A-Transaktionen und im Gesellschaftsrecht.
Elektronische Signaturen kommen dabei sowohl bei Anteilskauf- und Abtretungsverträgen (SPA) sowie Gesellschaftervereinbarungen in Betracht, sofern keine GmbH-Geschäftsanteile betroffen sind. Außerdem können sie bei Gesellschafterdarlehen eingesetzt werden, wenn kein Verbraucher als Darlehensnehmer beteiligt sind, bei Gesellschafterbeschlüssen, falls diese Form im Gesellschaftsvertrag zugelassen ist und gesetzliche Regelungen nicht entgegenstehen und bei Vollmachten, wenn diese nicht für eine notarielle Beurkundung benötigt werden.
Um Unklarheiten zu vermeiden, sollte in einer Vereinbarung jeweils festgelegt werden, dass eine elektronische Signatur möglich ist und welche Art(en) der elektronischen Signatur zulässig sein soll(en).
Im Einzelnen:
Arten der elektronischen Signatur
Es gibt im deutschen Recht drei unterschiedliche Arten der elektronischen Signatur, die aus den Begriffsbestimmungen der Europäischen eIDAS-Verordnung stammen („Verordnung EU/ 910/2014 vom 23. Juli 2014 über elektronische Identifizierung und Vertrauensdienste für elektronische Transaktionen im Binnenmarkt“):
Einfache elektronische Signatur
Der Begriff der „einfachen elektronischen Signatur“ findet in der eIDAS-Verordnung keine ausdrückliche Erwähnung, bedeutet nach allgemeinem Verständnis aber jede elektronische Signatur, die kein fortgeschrittenes oder qualifiziertes Niveau hat.
Die „Elektronische Signatur“ meint nach der eIDAS-Verordnung „Daten in elektronischer Form, die anderen elektronischen Daten beigefügt oder logisch mit ihnen verbunden werden und die der Unterzeichner zum Unterzeichnen eines Dokuments verwendet“.
Eine einfache elektronische Signatur ist z.B. die eingescannte Unterschrift, die auf einem Touchscreen erstellte Unterschrift oder eine E-Mail, in der der Absender deutlich macht, dass die E-Mail unter seinem Namen erfolgt.
Fortgeschrittene elektronische Signatur
Eine „fortgeschrittene elektronische Signatur“ ist in der eIDAS-Verordnung definiert und muss folgende Voraussetzungen (kumulativ) erfüllen:
Eindeutige Zuordnung zum Unterzeichner und Ermöglichung der Identifizierung des Unterzeichner
Die ersten beiden Kriterien lassen sich nicht trennscharf unterscheiden. In der Praxis setzen z.B. die bekanntesten Anbieter für fortgeschrittene elektronische Unterschriften, Adobe Sign und DocuSign, einen mehrstufigen Authentifizierungsprozess voraus. So wird an die E-Mail-Adresse des Benutzers ein Zugangscode versandt, der einmalig gültig ist und durch ein persönliches Passwort abgelöst wird. Die zweite Stufe erfolgt über einen Telefonanruf oder eine SMS an die vom Benutzer angegebene Mobilnummer. Schließlich wird über die Online-Plattform noch der Personalausweis oder Reisepass überprüft.
Erstellung elektronischer Signaturerstellungsdaten und Verhinderung einer nachträglichen Veränderung der Daten
In der Praxis wird für die Erstellung einer fortgeschrittenen elektronischen Signatur eine Signatursoftware erforderlich sein, auch wenn die eIDAS-Verordnung hierzu keine näheren Vorgaben macht. In technischer Sicht wird aus dem unterzeichneten Dokument ein Hashwert erzeugt, welcher aus einer einzigartigen Zahlen- und Buchstaben-
Kombination besteht. Der Signierende verschlüsselt den Hashwert mit seinem privaten Schlüssel (= die digitale Signatur), der Empfänger entschlüsselt diesen mithilfe des übermittelten, öffentlichen Schlüssels und erstellt zugleich einen Hashwert des erhaltenen Dokuments. Durch den Abgleich der Hashwerte kann der Empfänger feststellen, ob das Dokument nachträglich geändert wurde.
Qualifizierte elektronische Signatur
Eine „qualifizierte elektronische Signatur“ ist eine fortgeschrittene elektronische Signatur, die von einer qualifizierten elektronischen Signaturerstellungseinheit erstellt wurde und auf einem qualifizierten Zertifikat für elektronische Signaturen beruht. „Qualifizierte Vertrauensdiensteanbieter“ für Verbraucher im Sinne der eIDAS-Verordnung sind im
Netz auf der Website der Bundesnetzagentur unter der Verknüpfung „Signatur“ gelistet.
Die technische Umsetzung der qualifizierten elektronischen Signatur kann durch den Einsatz einer Signaturkarte, einem Lesegerät und der dazu gehörigen Signatursoftware oder durch Fernsignatur erfolgen. Bei Letzterer ist keine Hardware erforderlich, da die Signatur von einem qualifizierten Vertrauensdiensteanbieter im Auftrag des
Signierenden erstellt wird.
Im Gegensatz zur fortgeschrittenen elektronischen Signatur wird die Identität des Signierenden durch das qualifizierte Zertifikat verifiziert. Die Anforderungen an den Erhalt des Zertifikats sind im Vergleich zu den Authentifizierungsmethoden der Anbieter elektronischer Signaturen erhöht. Zum einem erfolgt die Zertifizierung nur durch wenige, von der Bundesnetzagentur akkreditierte Vertrauensdiensteanbieter. Zum anderen ist die Identität zwingend durch ein Ausweisdokument zu belegen. Die qualifizierten Vertrauensdiensteanbieter stellen die Identität beispielsweise mittels der Online-Ausweisfunktion (eID) des Personalausweises oder über das Video-Ident-Verfahren fest.
Einsatz der elektronischen Signatur bei Transaktionen und im Gesellschaftsrecht
Im Folgenden werden die Möglichkeiten des Einsatzes der elektronischen Signatur beim Abschluss und der Änderung von den typischerweise für Transaktionen und die Verwaltung von Gesellschaften benötigten Dokumenten näher erläutert. Dabei ist vom Grundsatz der Formfreiheit im deutschen Recht auszugehen, der nur durch wenige
gesetzliche Ausnahmen durchbrochen wird. Greift keine dieser Ausnahmen, kann die elektronische Signatur eingesetzt werden.
Anteilskauf- und Abtretungsvertrag (SPA)
Wenn Gegenstand einer Transaktion GmbH-Geschäftsanteile sind, ist der Vertrag wegen § 15 GmbHG zwingend notariell zu beurkunden; andere Formen sind hier nicht zulässig.
Anteile an anderen Gesellschaften können jedoch grundsätzlich formfrei erworben werden. Handelt es sich beim Verkäufer aber um eine AG und sind die verkauften Gesellschaftsanteile das wesentliche Vermögen der AG, so kann ein notariell beurkundeter Beschluss der Hauptversammlung nach § 179a AktG erforderlich werden. Ist der Erwerb von Gesellschaftsanteilen formfrei möglich, so bietet sich insbesondere die Verwendung der fortgeschrittenen oder qualifizierten elektronischen Signatur an, da durch den Abgleich der Hashwerte bei einem umfangreichen Vertrag leicht festgestellt werden kann, ob Änderungen vorgenommen wurden.
Gesellschaftervereinbarungen
Bei einer zwischen Gesellschaftern abgeschlossenen Gesellschaftervereinbarung, in der üblicherweise unter anderem Regelungen zur Zusammenarbeit der Gesellschafter, zum Exit und zur Liquidation geregelt werden, gelten die obigen Ausführungen entsprechend. Grundsätzlich können Gesellschaftervereinbarungen also in jeder beliebigen Form
abgeschlossen oder geändert werden.
Steht jedoch eine Verpflichtung zum (späteren) Erwerb von GmbH-Geschäftsanteilen im Raum (z.B. im Rahmen eines Vorerwerbsrechts oder einer Mitverkaufspflicht), sollte aus Gründen der Vorsicht auch die Gesellschaftervereinbarung notariell beurkundet werden.
Gesellschafterdarlehen
Im Zusammenhang mit M&A-Transaktion kommen häufig Gesellschafterdarlehen zum Einsatz. Diese können ebenfalls in jeder beliebigen Form abgeschlossen oder geändert werden. Nur bei Verbraucherdarlehensverträgen, also Darlehensverträge, bei denen der Darlehensnehmer ein Verbraucher ist, gilt für den Abschluss zwingend das
gesetzliche Schriftformerfordernis nach § 492 BGB.
Auch bei Gesellschafterdarlehen bietet sich der Einsatz der zumindest fortgeschrittenen elektronischen Signatur an, um eine Dokumentation bzgl. der Unterzeichner und Zeitpunkt des Abschlusses zu gewährleisten.
Soll zur Besicherung des Darlehens z.B. eine Bürgschaft gestellt werden, ist hierfür das zwingende und nicht durch die elektronische Form zu ersetzende Schriftformerfordernis nach § 766 BGB zu beachten.
Gesellschafterbeschlüsse
Beschlüsse der Hauptversammlung einer börsennotierten Aktiengesellschaft sind nach § 130 AktG stets durch notariell aufgenommene Niederschrift zu beurkunden. Für Beschlüsse der Hauptversammlung einer nichtbörsennotierten AG, für die nach dem Gesetz keine Dreiviertel- oder größere Mehrheit bestimmt sind, reicht eine
vom Vorsitzenden des Aufsichtsrats zu unterzeichnende Niederschrift aus.
Beschlüsse der Gesellschafter einer GmbH werden grundsätzlich gemäß § 48 Abs. 1 GmbHG in Versammlungen gefasst. Der Abhaltung einer Versammlung bedarf es nicht, wenn sämtliche Gesellschafter sich in Textform mit der schriftlichen Stimmabgabe einverstanden erklären. Die Vorschrift ist dispositiv, so dass in der Satzung verschiedene
Gestaltungsmöglichkeiten bezüglich der Beschlussfassung gewählt werden können, wie z.B. die Abstimmung im Rahmen einer Telefon- oder Videokonferenz.
Bestimmte Beschlüsse müssen von Gesetzes wegen weiterhin notariell beurkundet werden. Darunter fallen insbesondere Beschlüsse, die eine Satzungsänderung beinhalten, wie beispielsweise die Erhöhung des Stammkapitals (§ 53 Abs. 2 GmbHG).
Sonstige Beschlüsse, wie z.B. die Bestellung und Abberufung von Geschäftsführern, sind im Grundsatz formfrei. Allerdings sind Änderungen bei den Personen der Geschäftsführer zum Handelsregister anzumelden, was elektronisch in öffentlich beglaubigter Form zu erfolgen hat. Bisher kann eine Beglaubigung nur im Rahmen eines Präsenztermins, i.d.R. beim Notar, erfolgen. Mit Inkrafttreten des Gesetzes zur Umsetzung der Digitalisierungsrichtlinie (DiRUG) am 1. August 2022 wird erstmals eine durch den Notar durchzuführende Fernbeglaubigung mittels eines von der Bundesnotarkammer betriebenen Videokommunikationssystems möglich sein.
Für die rechtliche Begleitung Ihrer M&A-Projekte steht Ihnen unser Unternehmensrechts-Team (RA Dr. Theodor Seitz, RA Urs Lepperdinger, RAin Sandra Hollmann und RA Dr. Christoph Knapp) gerne zur Verfügung.
Autor: Dr. Christoph Knapp