Gesetzlich Versicherte Arbeitnehmer müssen ihre Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung nicht mehr dem Arbeitgeber vorlegen. Stattdessen stellen die Krankenkassen die entsprechenden Arbeitsunfähigkeitsdaten elektronisch zur Verfügung; der Arbeitgeber muss die Daten selbst aktiv abrufen. Arbeitgeber müssen mit der Einführung der elektronischen Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung ihren Prozess bei der Krankmeldung von Arbeitnehmern anpassen.
Mitteilungspflicht bleibt, Vorlagepflicht entfällt
Der Arbeitnehmer ist nach wie vor verpflichtet, dem Arbeitgeber die Arbeitsunfähigkeit und deren voraussichtliche Dauer unverzüglich gemäß § 5 Abs. 1 S. 1 EFZG mitzuteilen (Mitteilungspflicht). An die Stelle der Vorlagepflicht tritt nun eine Feststellungspflicht: Gesetzlich krankenversicherte Arbeitnehmer müssen ihre Arbeitsunfähigkeit und deren voraussichtliche Dauer durch einen Arzt gemäß § 5 Abs. 1a S. 2 EFZG feststellen lassen. An den relevanten Zeitpunkten ändert sich nichts: Die Verpflichtung des Arbeitnehmers, die Arbeitsunfähigkeit feststellen zu lassen, besteht, wenn die Arbeitsunfähigkeit länger als drei Kalendertage dauert (also ab dem vierten Tag der Arbeitsunfähigkeit). Der Arbeitgeber kann aber verlangen, dass der Arbeitnehmer das Bestehen der Arbeitsunfähigkeit und deren voraussichtliche Dauer früher als im Gesetz vorgesehen ärztlich feststellen lässt (§ 5 Abs. 1a S. 2 i. V. m. § 5 Abs. 1 S. 3 EFZG).
Für den gesetzlich versicherten Arbeitnehmer besteht außerdem die Obliegenheit, sich eine lediglich für ihn bestimmte Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung in Papierform aushändigen zu lassen. Damit bleibt den Arbeitnehmern die Papierbescheinigung als gesetzlich vorgesehenes Beweismittel mit dem ihr von der Rechtsprechung zugebilligten hohen Beweiswert erhalten, um insbesondere in Störfällen - wie etwa einer fehlgeschlagenen Übermittlung im elektronischen Verfahren - das Vorliegen der Arbeitsunfähigkeit als Voraussetzung der Entgeltfortzahlung außerprozessual und prozessual nachzuweisen.
Datenabruf des Arbeitgebers bei der Krankenkasse
Die Krankenkasse ist nun verpflichtet, nach Eingang der ärztlichen Arbeitsunfähigkeitsdaten eine Meldung zum Abruf für den Arbeitgeber zu erstellen, die folgende Daten enthalten muss:
Der Datenabruf erfolgt sodann durch den Arbeitgeber. Soweit der Arbeitnehmer seinen Pflichten nachgekommen ist und alles beachtet hat, was im Rahmen des neuen Prozesses von ihm erwartet wird, geht ein nicht erfolgreicher Abruf der elektronischen Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung zu Lasten des Arbeitgebers. § 5 Abs. 1a EFZG sieht keine Verpflichtung des gesetzlich krankenversicherten Arbeitnehmers vor, eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung in Papierform vorzulegen. Auch Vereinbarungen zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer, die weiterhin die Vorlage einer Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung in Papierform vorsehen, sind unwirksam, da es sich bei § 5 EFZG um zwingendes Recht handelt, von welchem wegen § 12 EFZG nicht zu Lasten des Arbeitnehmers abgewichen werden kann. Dementsprechend wären solche Regelungen auch in einer Betriebsvereinbarung oder in einem Tarifvertrag unwirksam.
Handlungsbedarf für Arbeitgeber
Arbeitgeber müssen die technischen Voraussetzungen für den Abruf der Arbeitsunfähigkeitsdaten von gesetzlich krankenversicherten Arbeitnehmern erfüllen. Der Abruf kann nämlich nur durch eine gesicherte und verschlüsselte Datenübertragung erfolgen. Hierfür ist jedes zertifizierte Entgeltabrechnungsprogramm und Zeiterfassungssystem geeignet, das eine gesicherte und verschlüsselte Datenübertragung ermöglicht. Auch kann der Abruf durch zertifizierte Eingabehilfen erfolgen. Darüber hinaus sollten Arbeitgeber die betroffenen Arbeitnehmer über die neue Regelung informieren und darauf aufmerksam machen, dass Bescheinigungen in Papierform in Störfällen zeitnah an die Krankenkassen übermitteln werden sollten. Zudem sollte ein Hinweis erfolgen, dass Arbeitnehmer dem Arbeitgeber (formlos) mitzuteilen haben, wenn im Laufe des Arbeitsverhältnisses ein Wechsel der Krankenkasse stattfindet (insbesondere bei Wechsel von einer privaten Krankenversicherung zu einer gesetzlichen und umgekehrt). Schließlich sollten Musterarbeitsverträge für Neueintritte angepasst werden. Bei bestehenden Arbeitsverträgen mit gesetzlich versicherten Arbeitnehmern und einer Regelung im Arbeitsvertrag, wonach die Nachweispflicht erst ab dem vierten Tag der Arbeitsunfähigkeit gilt, besteht nicht zwingend Handlungsbedarf. Denn an die Stelle der bisherigen Klausel im Arbeitsvertrag, die seit dem 01.01.2023 wegen Abweichung von den Neuregelungen des EFZG gemäß § 12 EFZG unwirksam sein dürfte, treten automatisch die neuen gesetzlichen Regelungen.
Autor: