Ausbau von Videoverhandlungen – Gesetzesentwurf des Bundesjustizministeriums

Seitz Weckbach Fackler & Partner

Während der Covid-19-Pandemie wurde vermehrt von der bereits seit 2013 gesetzlich verankerten Möglichkeit der Videoverhandlung vor Gerichten Gebrauch gemacht. Dieses prozessuale Instrumentarium soll nach dem Gesetzesentwurf des Bundesjustizministerium ausgeweitet werden und dessen Anwendung verstärkt werden.

Wir geben einen Überblick über die bisherige Regelung und die Pläne des Entwurfes.

Bisherige Rechtslage

Die Bestimmung des § 128a ZPO erfasst die Regelungen zur Videoverhandlung als mögliche Verfahrensart an sich und regelt ferner die Option, Vernehmungen von einzelnen Parteien oder von einzelnen Zeugen per Video durchzuführen. Die Regelung gilt nicht nur im Zivilprozess exklusiv, sondern findet durch entsprechende Verweisungsnormen auch Anwendung in den Prozessen der Fachgerichtsbarkeiten (z.B. Arbeitsgerichtsverfahren oder Verwaltungsgerichtsverfahren). Einzig im Strafverfahren findet sie überhaupt keine Anwendung. Mit dieser Verfahrensweise können insbesondere lange Anreisen von Parteien, Parteivertretern oder weiteren Beteiligten vermieden werden. Die Videoverhandlung trägt sowohl zum Zeit- als auch zum Kostenersparnis bei. Durch die Covid-19-Pandemie wurde der Ausbau der entsprechenden technischen Einrichtungen an den Gerichten verstärkt.

Als „Herrin des Verfahrens“ gilt der Maßstab, dass grundsätzlich das Gericht die Verfahrensart bestimmt. Dies spiegelt sich auch in der bisherigen Regelung wieder: Ob eine Videoverhandlung durchgeführt wird, steht im freien Ermessen des Gerichts. Ein entsprechender Antrag einer Prozesspartei kann daher im Rahmen des Ermessens abgelehnt werden und eine mündliche Verhandlung in Präsenz angeordnet werden. Die Ablehnung einer Videoverhandlung des Gerichtes ist folglich nicht anfechtbar, sodass dieser Verfahrensweg nicht erzwungen werden kann.

Neuerungen des Entwurfes

An dieser Stelle möchte der neue Gesetzesentwurf die Rechte der Parteien stärken. Die neu vorgestellte Gesetzesfassung sieht folgende neue Handlungsmöglichkeit vor: Wenn beide Prozessparteien bzw. deren Vertreter übereinstimmend eine Videoverhandlung beantragen, soll der Vorsitzende diese anordnen (§ 128a-E Abs. 2 Satz 2 ZPO). Bei übereinstimmendem Antrag der Parteien müsste damit die Videoverhandlung der Regelfall sein und nur in begründeten Ausnahmen vom Vorsitzenden versagt werden (sog. gebundenes Ermessen). Ferner sieht der Entwurf nunmehr auch die Pflicht vor, dass im Fall einer Ablehnung der Videoverhandlung bei einem einvernehmlichen Antrag der Parteien das Gericht diese Ablehnung per Beschluss begründen muss. Folgerichtig soll nunmehr auch ein Rechtsbehelf gegen diese Ablehnungsentscheidung normiert werden, mit welchem tatsächlich die Möglichkeit bestehen könnte, eine Videoverhandlung zu erzwingen.

Daneben sieht der Gesetzesentwurf eine noch größere Ausweitung der Videoverhandlung vor, welche letztlich ermöglicht, dass sich überhaupt kein Prozessbeteiligter (auch kein Mitglied des Gerichts) mehr in einem Sitzungssaal aufhalten wird, sondern eine Verhandlung gänzlich per Video stattfindet. In diesem Fall können sich alle Beteiligten an einem anderen Ort aufhalten, während die Verhandlung in einem für die Öffentlichkeit zugänglichen Gerichtssaal übertragen wird.

Weiter soll die Möglichkeit der Beweisaufnahme per Video ausgeweitet werden und sich nicht nur auf Zeugen, Parteien oder Sachverständige erstrecken, sondern in geeigneten Fällen auch die Inaugenscheinnahme per Videoübertragung möglich sein (§ 284-E ZPO). Um das Verfahren der Videoverhandlung zu unterstützen, soll außerdem die existierende Kostenregelung des Gerichtskostengesetzes (GKG) gestrichen werden. Bislang ist gesetzlich vorgesehen, dass die Kosten der Durchführung einer Videoverhandlung als Gerichtskosten mit pauschal 15€/30min. bemessen werden. Diese Zusatzkosten muss grundsätzlich die unterlegene Partei tragen. Die Regelung soll nun ersatzlos entfallen.

Es wird sich zeigen, welche dieser Regelungen des Gesetzesentwurfes sich letztlich in der novellierten Fassung der gesetzlichen Regelung wiederfinden wird. Wir werden Sie diesbezüglich auf dem Laufenden halten.

Diese Artikel könnten Sie auch interessieren

Neues EuGH-Urteil zum FIFA-Transfersystem

Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat mit einem neuen Urteil das Transfersystem im Profifußball erneut in den Fokus gerückt. Der belgische Rechtsanwalt Jean-Louis Dupont, der bereits 1995 maßgeblich am sog. Bosman-Urteil beteiligt war, hat erneut eine richtungsweisende Entscheidung herbeigeführt, diesmal im Fall des ehemaligen französischen Nationalspielers Lass Diarra gegen die FIFA.

Auszeichnung im Handelsblatt-Ranking "Deutschlands beste Kanzleien 2024"

Unsere Kanzlei Seitz Weckbach Fackler & Partner wurde im Handelsblatt-Ranking als eine von "Deutschlands besten Kanzleien 2024" ausgezeichnet. Wir freuen uns sehr über diese Anerkennung!

Ratschläge zum Umgang mit Polizei und Justiz

Der Umgang mit Polizei und Justiz ist für die meisten von uns nichts Alltägliches. Dementsprechend groß ist die Nervosität, wenn dann doch die Ermittler vor der Tür stehen, unabhängig davon, ob die Vorwürfe, die im Raum stehen, zutreffen oder nicht.