Das Gesetz zur Umsetzung der zweiten Aktionärsrechterichtlinie (ARUG II) ist zum 1. Januar 2020 in Kraft getreten. Der Bundestag hatte am 14. November 2019 den Gesetzesentwurf verabschiedet. Der Bundesrat hatte in seiner Sitzung vom 29. November 2019 beschlossen, keinen Einspruch einzulegen. Im Vergleich zum Regierungsentwurf enthält der jetzt verabschiedete Gesetzesentwurf insbesondere Neuerungen für die Festsetzung der Vorstandsvergütung. Auch der Schwellenwert für sog. „Related Party Transactions“ wurde nochmals herabgesetzt.
1. Maximalvergütung des Vorstands
Es bestand im Gesetzgebungsverfahren Streit, ob die Zuständigkeit und Letztentscheidung für die Festsetzung der Vorstandsvergütung beim Aufsichtsrat verbleiben oder künftig in die Hände der Aktionäre in der Hauptversammlung gelegt werden soll. Der jetzt verabschiedete Gesetzesentwurf sieht hierfür einen Mittelweg vor: Im Grundsatz bleibt es dabei, dass der Aufsichtsrat für die Festlegung des Vergütungssystems für die Vorstandsmitglieder zuständig ist; die Mitverantwortung der Arbeitnehmervertreter im mitbestimmten Aufsichtsrat bleibt insofern erhalten. Das erforderliche Votum der Hauptversammlung zum vorgelegten Vergütungssystem hat lediglich beratenden Charakter. Neu ist, dass der Aufsichtsrat künftig gesetzlich verpflichtet ist, als Teil des Vergütungssystems eine Maximalvergütung der Vorstandsmitglieder festzulegen. Die Festlegung einer Höchstgrenze für die Vorstandsvergütung ist bereits bislang verbreitete Praxis und entspricht einer Empfehlung des Kodex. Die Hauptversammlung kann die vom Aufsichtsrat festgelegte Maximalvergütung für den Vorstand durch verbindliches Votum herabsetzen.
Die Entscheidungskompetenz der Hauptversammlung bezieht sich jedoch nur auf die Herabsetzung der Maximalvergütung wie sie in dem durch den Aufsichtsrat beschlossenen Vergütungssystem festgelegt ist. In seiner konkreten Ausgestaltung verändern kann die Hauptversammlung die Maximalvergütung nicht. Auch für künftige, von der Hauptversammlung neu beschlossene Vergütungssysteme gilt das Votum der HV nicht weiter. Es hat auch keine Auswirkungen auf laufende Verträge. Der Aufsichtsrat ist weitgehend frei, in welcher Form er die Maximalvergütung festlegt. Er kann die Maximalvergütung für den Gesamtvorstand oder jedes Vorstandsmitglied gesondert, getrennt nach Gruppen von Vorstandsmitgliedern (Vorstandsvorsitzender und ordentliche Vorstandsmitglieder), für variable und fixe Vergütungsbestandteile einheitlich oder gesondert festlegen. Die Maximalvergütung soll konkrete Zahlen benennen.
Dem Aufsichtsrat verbleibt die Möglichkeit, vorübergehend von dem Vergütungssystem abzuweichen, wenn dies im Interesse des langfristigen Wohlergehens der Gesellschaft notwendig ist und das Vergütungssystem das Verfahren des Abweichens sowie die Bestandteile des Vergütungssystems, von denen abgewichen wird, benennt. Diese Möglichkeit besteht auch dann, wenn die im Vergütungssystem festgelegte Maximalvergütung von der Hauptversammlung herabgesetzt wurde. Im Vergütungsbericht müssen Vorstand und Aufsichtsrat zu jedem einzelnen namentlich genannten Vorstandsmitglied erläutern, wie die festgelegte Maximalvergütung eingehalten wurde.
2. Vorstandsvergütung – langfristige und nachhaltige Ausrichtung der Vergütungsstruktur
Die bisherige Verpflichtung des Aufsichtsrats börsennotierter Gesellschaften, die Vergütungsstruktur für den Vorstand auf eine „nachhaltige Unternehmensentwicklung“ auszurichten (§ 87 Abs. 1 Satz 2 AktG), wurde bislang in der Praxis überwiegend als eine rein zeitliche Maßgabe verstanden. Künftig ist die Vergütungsstruktur auf eine „nachhaltige und langfristige Entwicklung der Gesellschaft“ auszurichten. Durch die Doppelung dieser Begriffe soll klargestellt werden, dass die Vergütungsanreize für den Vorstand auch die soziale und ökologische Entwicklung des Unternehmens in den Blick nehmen müssen.
3. Related Party Transactions
Der Schwellenwert für Geschäfte mit nahestehenden Personen („Related Party Transactions“ wurde von 2,5 % auf 1,5 % der Summe aus Anlage- und Umlaufvermögen nach Maßgabe des zuletzt festgestellten Jahresabschlusses bzw. gebilligten Konzernabschlusses herabgesetzt.
4. Übergangsregelungen
Die Regelungen zu den „Related Party Transactions“ gelten mangels besonderer Übergangsvorschriften unmittelbar. Die Übergangregelungen zum „Say On Pay“ durch die Haptversammlung wurden dagegen nochmals verlängert: Die Aktionäre haben über das vom Aufsichtsrat vorzulegende Vergütungssystem erstmals in ordentlichen Hauptversammlungen zu beschließen, die nach dem 31. Dezember 2020 stattfinden.
Bis zum Ablauf von zwei Monaten nach erstmaliger Billigung des Vergütungssystems durch die Hauptversammlung hat der Aufsichtsrat die Vergütung der Vorstandsmitglieder in Übereinstimmung mit einem der Hauptversammlung zur Billigung vorgelegten Vergütungssystem festzusetzen. Auf diese Weise wird verhindert, dass der Aufsichtsrat der Vergütung ein nicht gebilligtes Vergütungssystem zugrunde legen muss. Die Regelung hat indes nicht zur Folge, dass laufende Verträge geändert werden müssen. Der Vergütungsbericht ist erstmals für das nach dem 31. Dezember 2020 beginnende Geschäftsjahr zu erstellen und der Hauptversammlung bis zum Ablauf der ersten ordentlichen Hauptversammlung in dem darauffolgenden Geschäftsjahr zur Billigung vorzulegen.
Die Regelungen zur Aktionärsidentifikation und zum Informationsaustausch mit Aktionären sind erst ab dem 3. September 2020 anzuwenden und sollen frühestens auf Hauptversammlungen Anwendung finden, die nach dem 3. September 2020 einberufen werden.
Autor: Dr. Christoph Knapp